Rolf Walter

Prof. Dr. rer. pol. Rolf Walter, 1953 in Kirchheim unter Teck geboren und hier sowie in Jena lebend, ist Hochschullehrer und Hobbyschriftsteller. Gelegentlich schreibt er Autobiographisches und Lausbubenhaftes über seine schwäbische Heimat am Fuße, nein: am Zeh der Teck.

Perspektive durch Retrospektive

Am Valentinstag des famosen Jahres 1953 gesellte ich mich unter den kernigen, liberal gesinnten Stamm der altwürttembergischen Schwaben an deren Zentralort Kirchheim unter Teck. Dort, am Zeh der Schwäbischen Alb, war mir eine gleichermaßen freiheitliche wie strenge, sport- und kulturreiche Jugend in einem (bis an die Grenzen) toleranten Familien- und Gesellschaftskreis vergönnt. 

 

Solcherart „für das Leben“ gewappnet und geprägt begann mein „eigener“ Weg. 1972 büffelte ich mich durch das Abitur und entschied mich, dem Rat meiner Eltern zu folgen, also einen „Brotberuf“ – wenn schon nicht Fleischer dann doch wenigstens Bankkaufmann – zu erlernen. Darauf konnte man gegebenenfalls zurückgreifen, falls was schiefgeht – man weiß ja nie! Irgendwie muss mich damals der Ehrgeiz gepackt haben, denn bereits nach 15 Monaten verließ ich als frischgebackener Bankkaufmann die Genossen der Kreditgenossenschaft und tauschte im Herbst 1993 meine schwäbische Heimat mit der reichsstädtischen fränkischen Metropole Nürnberg. – Ein guter Schritt, wie ich heute finde. 

 

Ebenda, gegenüber dem schönen Heilig-Geist-Spital, wurde ich völliger Nobody von einem echten Professor „entdeckt“, der mein Opus magnum (damals noch Diplomarbeit genannt) zu den deutsch-brasilianischen Handelsbeziehungen im 19. Jahrhundert gelesen hatte. In seiner offensichtlichen Frust- und Furchtlosigkeit fragte mich mein schwäbischer Landsmann Prof. Dr. Hermann Kellenbenz, ob ich mir meinen zukünftigen Werdegang auch anders als bisher gedacht vorstellen könne? Meine völlig ausufernde Phantasie, spekulative Investitions- und coole Grenznutzenüberlegungen ließen mich dem Anliegen des in meiner Sympathie (von einem ohnehin schon beachtlichen Niveau aus) gestiegenen Meisters nähertreten und sah die Möglichkeit, ohne gruppentherapeutische Obhut mir ein wissenschaftliches Zuhause einzurichten. 

 

Ich begann als „rechte Hand“ des Meisters zu fungieren (und manchmal wohl auch als seine linke) und parallel dazu die akademische Gesellenprüfung, auch „Rigorosum“ genannt, anzusteuern. Dies geschah auf dem Weg über ein Venezuela-Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), denn damals wollten alle Bewerber nach Japan, weil dort das Management so fortschrittlich sei. Da ich wohl der Einzige war, der qualifiziertes Material für sein Gesellenstück (in der Fachsprache: Dissertation) nicht durch trendige Studien in Tokio sammeln wollte, trieb es mich nach Caracas. Dort bestand die schöne Möglichkeit, Erfahrung kultureller und menschlicher Art zu sammeln und erstmals im Leben erklären zu müssen, dass es außer Alexander von Humboldt, Adolf Hitler und Willy Brandt auch noch ein paar andere Deutschen gibt und wie das polit-ökonomische System der sozialen Marktwirtschaft funktioniert. Solcherlei Erfahrungen mit der „fremden“ Kultur möchte ich niemals missen und wünsche jeder/m, dass er/sie die Chance eines Auslandsaufenthalts erhält. Daraus resultierte mein Engagement für ERASMUS, AIESEC usw. als ich 1991 die Möglichkeit bekam, als Ordinarius für Wirtschafts- und Sozialgeschichte die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der ehrwürdigen Universität Jena mit aus- und auszubauen. Mich trieb damals auch er Wunsch, erste Erfahrungen im gesellschaftlichen Umbruch von Wild East zu machen und deshalb nahm ich gerne den Ruf an die Universität Jena nach der „Wende“ im August 1991 an. 

 

Ich hatte 1982 in der „Gesellenprüfung“ in den Fächern Wirtschafts- und Sozialgeschichte, BWL, VWL und Auslandskunde den Namenszusatz „Dr. rer. pol.“ erworben, der im Personalausweis die Rubrik „vorbestraft“ ersetzte.

 

Bis 1988 beackerte ich das weite Terrain der regionalen Wirtschaftsgeschichte des deutschen Südwestens im 18. und 19. Jahrhundert. Ich durchforstete nach Strich und Faden die logistischen und merkantilen (Außen-)Handelsbeziehungen und durfte mich nach abgegebener Habilitationsschrift und Vortrag vor der einschlägigen Kommission in jene Gruppe Akademiker einreihen, die von ihrem gesellschaftlichen Umfeld von vorneherein mildernde Umstände zugebilligt bekommen. 1989 durfte ich mich dann „Privatdozent“ nennen und  hielt in der Folgezeit allnächtlich extra das Schlafzimmerfenster offen, um ja keinen „Ruf“ zu überhören. Ein solcher erschallte im August 1991 in einer solchen Lautstärke, dass er selbst in Nürnberg noch unüberhörbar war. Um weitere Lärmstörungen zu vermeiden, stimmte ich kurz darauf im 24. Stock des Jenaer Turms – also auf sehr hohem Niveau – dem leichtsinnigen Ansinnen der Personen zu, die unbeirrbar und erstaunlich tolerant erklärten, mich dulden zu wollen. 

Vom „Tower“ gings dann in den Fürstengraben und danach in das grundsanierte alte Zeissgebäude im Jenaer Zentrum, wo die Straßenbahn quasi direkt vor den Hörsälen hält. Man kann deshalb jene StudentInnen verstehen, die nachhaltig betonen, in Jene lebe sich’s bene. Dieser Auffassung schließe ich mich nach 30 Jahren begeistern an, zumal Weimar, Erfurt und Apolda sich in relativer Nähe befinden. 

 

Zum wissenschaftlichen Werdegang gehören Mitgliedschaften zahlreichen nationalen und internationalen  Gesellschaften und Vereinen (Historikerverband, GSWG, IEHA, Datini-Institut Prato etc.), Vorstandschaften (GSWG) und Herausgeberschaften (Scripta Mercaturae, JbLA, Tagungsbände der GSWG, Einführung in die Wirtschaftswissenschaften, Zeiss, zus. m. H. Kellenbenz: Oberdeutsche Kaufleute in Sevilla und Cádiz usw.

 

Aufgelistet wie folgt:

Berufliche Aktivitäten außerhalb der Universität Jena

1993 – 1997

Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (GSWG). Beisitzer.

1997 – 2001

Vorstandsmitglied der GSWG; Schriftführer.

2001 – 2009

Vorsitzender der GSWG.

GSWG-Arbeitstagungen (jeweils drei- bis viertägig)

1979

8. Arbeitstagung in Köln

1981

9. Arbeitstagung

1983

10. Arbeitstagung

1985

11. Arbeitstagung in Hohenheim

1987

12. Arbeitstagung in Siegen. Thema: Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft.

1989

13. Arbeitstagung in Heidelberg. Thema: Staatliche, städtische, betriebliche und kirchliche Sozialpolitik vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

1991

14. Arbeitstagung

1993

15. Arbeitstagung in Bamberg. Thema: Steuern, Abgaben und Dienste vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

1995

16. Arbeitstagung in Marburg. Thema: wirtschaftliche und soziale Integration in historischer Sicht. 
Referat: Marktintegration durch verbesserte Kommunikation im 19. Jahrhundert.

1997

17. Arbeitstagung in Jena. Rahmenthema: Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Gegenstand und Methodik. Gastgeber und Einführung.

1999

18. Arbeitstagung der GSWG

2001

19. Arbeitstagung der GSWG in Aachen

2003

20 Arbeitstatgung der GSWG in Greifswald

2005

21. Arbeitstagung der GSWG in Regensburg

2007

22. Arbeitstagung der GSWG in Wien

2009

23 Arbeitstagung der GSWG in Kiel

Internationale Kongresse

1982

IEHA Kongreß Budapest

1983

AHILA-Kongreß, Stockholm

1986

IEHA Kongreß Bern

2002

International Economic History Congress (IEHA), Buenos Aires, Argentinien.

2006

Sektion 37 b., Internat. Econ. Hist. Congress (IEHA), Helsinki: „High Finance Interrelated: Internat. Consortiums, Merchant-Networks and the Commercial World in the Middle-Ages and Early Modern Times“. (Internet)

Publikationen von Rolf Walter